Ein neues, strategisches Dokument aus Washington sendet seismische Signale über den Atlantik und stellt die Grundlagen der transatlantischen Partnerschaft in Frage. Die im November 2025 veröffentlichte „National Security Strategy of the United States of America“ zementiert eine radikale Neuausrichtung der US-Außenpolitik unter Präsident Donald Trump mit direkten und beispiellosen Implikationen für Europa und Deutschland.

Das Papier, das als langfristige strategische Linie und nicht als spontane Äußerung beschrieben wird, stellt eine fundamentale Abkehr von bisherigen Bündnislogiken dar. Kern ist die explizite Förderung patriotischer und rechtspopulistischer Kräfte in Europa, namentlich der AfD in Deutschland, um einer „Magabewegung“ auf dem Kontinent zum Durchbruch zu verhelfen. Dies wird als Mittel gesehen, den „aktuellen Kurs Europas“ zu brechen.
Als zentrale Bedrohung für die europäische Zivilisation identifiziert das Dokument die Politik der Europäischen Union, insbesondere in den Bereichen Migration und Meinungsfreiheit. Es warnt vor einem „großen Austausch“ der Bevölkerung und behauptet, der Kontinent werde in 20 Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein, sollten sich die Trends fortsetzen. Die EU wird durchgängig als transnationales Gremium dargestellt, das politische Freiheit und Souveränität untergrabe.
„Es liegt im zentralen Interesse der Vereinigten Staaten, eine rasche Beendigung der Feindseligkeiten in der Ukraine auszuhandeln“, heißt es weiter. Das Ziel sei die Stabilisierung europäischer Volkswirtschaften und die Wiederherstellung der strategischen Stabilität mit Russland. Eine NATO- oder EU-Mitgliedschaft der Ukraine wird explizit abgelehnt. Dies markiert eine dramatische Kehrtwende in der bisherigen Unterstützung für Kiew.
Weitere Prioritäten sind die Beendigung der „Wahrnehmung der NATO als sich ständig ausweitendes Bündnis“ sowie die aktive Verhinderung einer solchen Erweiterung. Europa soll stattdessen als „Gruppe gleichgesinnter souveräner Nationen“ agieren und die Hauptverantwortung für seine eigene Verteidigung übernehmen – was von Beobachtern als Aufforderung zu massiver Aufrüstung verstanden wird.
In Berlin und anderen europäischen Hauptstädten löste die Veröffentlichung Bestürzung und scharfe Kritik aus. Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul wies die US-Ratschläge zur Meinungsfreiheit zurück: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss.“ Im ZDF wurde das Papier als „schockierend“ bezeichnet, das den „Mythos“ des Bevölkerungsaustauschs übernehme.

Andere Stimmen begrüßen die amerikanische Analyse. Markus Frohnmaier, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, erklärte: „Die Analyse der USA ist zutreffend. Es steht schlecht um die demokratische Kultur in Deutschland.“ Die Strategie wird als Bestätigung der eigenen Position und als potenzieller Katalysator für einen Machtwechsel gewertet.
Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Unterstützung für „patriotische europäische Parteien“. Unklar ist, wie diese Förderung konkret ausgestaltet werden soll. Diskutiert werden wirtschaftlicher Druck durch Zölle, aber auch direkte finanzielle oder politische Unterstützung für entsprechende Parteien und Medien, etwa über Plattformen wie X von Elon Musk.
Die Reaktion aus Moskau fiel verhalten positiv aus. Kremlsprecher Dmitri Peskow äußerte sich grundsätzlich wohlwollend, mahnte jedoch, auf die tatsächliche Umsetzung zu achten und verwies auf mögliche Widerstände des „tiefen Staates“ in den USA. Dies unterstreicht die globale Unsicherheit, ob den radikalen Worten auch Taten folgen werden.
Innenpolitisch droht das Dokument, die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland weiter zu vertiefen. Während es von den Regierungsparteien als unzulässige Einmischung verurteilt wird, feiert die Opposition es als Befreiungsschlag. Die AfD sieht sich in ihrer Rolle als vermeintliche einzige Kraft bestätigt, die eine „Brücke“ zwischen den USA und Russland bauen könne.

Die historischen Dimensionen sind enorm. Kommentatoren ziehen Vergleiche zum Marshallplan, betonen aber den fundamentalen Unterschied: Damals ging es um den Aufbau Europas, heute laut Analyse um dessen gezielte Umgestaltung und Schwächung supranationaler Institutionen zugunsten eines Europas der Nationalstaaten unter amerikanischer Kuratel.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind noch nicht abzusehen. Die Forderung nach europäischer Stärkung und militärischer Eigenverantwortung könnte massive Investitionen in die Rüstungsindustrie erfordern. Gleichzeitig birgt die angedeutete protektionistische „America First“-Politik erhebliche Risiken für den deutschen Export und die gesamteuropäische Wirtschaftslage.
Kritiker warnen vor naivem Vertrauen in die amerikanischen Absichten. Sie verweisen auf historische Beispiele, in denen US-Versprechen nicht gehalten wurden, und betonen, dass Washington primär eigene Interessen verfolge. Die Unterstützung für patriotische Bewegungen sei taktischer Natur, um europäischen Widerstand gegen US-Dominanz zu schwächen.
Die digitale Sphäre wird zum zentralen Schlachtfeld. Die US-Strategie prangert „Zensur“ durch EU-Regularien wie den Digital Services Act an und stellt sich schützend vor Plattformen wie X. Der laufende Konflikt zwischen der EU-Kommission und Elon Musk über angebliche Verstöße gegen EU-Gesetze erhält damit eine geopolitische Aufladung.

Sicherheitsexperten zeigen sich alarmiert über die explizite Abkehr von der NATO-Erweiterungslogik und die Forderung nach einer raschen Friedenslösung in der Ukraine um fast jeden Preis. Dies wird als Signal an Russland gewertet, dass langfristige strategische Zugeständnisse im Raum stehen könnten, die die osteuropäischen NATO-Mitglieder existenziell bedrohen.
Die Veröffentlichung markiert einen potenziellen historischen Wendepunkt. Sie ist nicht nur ein außenpolitisches Dokument, sondern ein direktes Eingreifen in die innere Verfasstheit Europas. Ob sie als Blaupause für eine neue Ära oder als folgenloses Papier in die Geschichte eingeht, hängt nun vom Handeln Washingtons und der Reaktion Europas ab.
Die Bundesregierung steht vor einer ihrer größten außenpolitischen Herausforderungen seit der Wiedervereinigung. Sie muss die transatlantische Beziehung auf einer völlig neuen Grundlage definieren, gleichzeitig den europäischen Zusammenhalt bewahren und innenpolitischen Sprengstoff entschärfen. Die kommenden Wochen werden Richtung und Entschlossenheit der deutschen Antwort zeigen.
Für die europäischen Institutionen in Brüssel stellt die offene Feindseligkeit des US-Dokuments eine existenzielle Frage. Die Strategie zielt nicht auf Reform, sondern auf Ersetzung der EU. Die Fähigkeit der Union, geschlossen und souverän auf diese Herausforderung zu reagieren, wird über ihre Zukunft entscheiden.
Die deutsche Öffentlichkeit ist aufgefordert, eine hochkomplexe und emotional aufgeladene Debatte zu führen. Es geht um das Verhältnis zu den USA, die Zukunft Europas, die eigene demokratische Resilienz und die Definition nationaler Souveränität im 21. Jahrhundert. Die Diskussion hat gerade erst begonnen.